
Der Gründer der Tokugawa-Dynastie: Ieyasu Tokugawa (Holzschnitt)
In der Tokugawa-Zeit (1639-1854) hat sich Japan, seine Identität zu wahren und die Ausbreitung des Christentum zu verhindern, von der übrigen Welt abgeschottet. Allein chinesischen Kaufleuten und Diplomaten aus Korea war das Betreten des Inselreichs erlaubt, Warenaustausch eingeschlossen. Um jedoch an die zu jener Zeit durchaus begehrten westlichen Güter zu gelangen, trieb Japan außerdem Handel mit Holland, vertreten durch die Niederländische Ostasien Kompanie. Als Umschlagsplatz für die anlaufenden Schiffe wurde in der Bucht von Nagasaki eine künstliche Insel aufgeschüttet, DEJIMA. Dort führten die holländischen Gesandten und Angeworbenen, mit wenigen Ausnahmen nahezu ohne Kontakt mit der japanischen Bevölkerung, ein Leben, dessen Eintönigkeit höchstenfalls durch dann und wann aufflammende Streitgefechte oder Intrigen – sowohl innerhalb der holländischen Gemeinschaft als auch von Seiten der Landes- und Provinzherren – durchbrochen wurde. (Was das „Volk“ angeht, hier die holländischen „Barbaren“, dort die Landesbewohner, ging die Kontaktsperre in beide Richtungen.)
Jahrhundertenwechsel: Das im Winter 2020 im chinesischen Wuhan aufgetauchte, sich in Windeseile weltweit verbreitende Coronavirus SARS-CoV-2, hat auch das – natürlich längst globalisierte und von Fremden als Reiseziel nahezu über Gebühr hochgelobte und besuchte – Japan nicht verschont. In „(un)schöner Regelmäßgkeit“ rollten und rollen seither die Infektionswellen der Pandemie durchs Land, allerdings niemals mit so hohen Zahlen wie in den westlichen Breiten, obwohl die Einschränkungen vergleichsweise „milde“ waren und sind.

Das Vergnügungsviertel Kabuki-cho (Tokyo) fast „außer Betrieb“
Es hat niemals, wie im Westen, einen harten Lockdown gegeben. Statt dessen abendlich frühe Schließung von Geschäften und Restaurants, zeitweise Sperrung der Amüsierviertel, in Maßen Homeoffice,

Selbstverständlich alle mit Maske am Jochiji-Tempel in Kamakura (Foto unserer Freunde Watanabe in Tokyo im November 2021)
dazu Abstand, Masken (ohnehin bei Krankheiten selbstveständlich getragen), Impfungen, etwas verspätet begonnen, aber ohne Auflehnung akzeptiert. Frage: Waren es allein diese, von den Japanern strikt befolgten Maßnahmen, die immer wieder zur Eindämmung geführt haben? Erklären sie die – selbst auf dem Höhepunkt der einzelnen Wellen (bisher sechs) – relativ niedrigen Fallzahlen? Rätselhaft! Was es jedoch zusätzlich zu den einzuhaltenden Regeln gab und gibt, könnte – vielleicht – die Lösung des Rätsels sein: die altbewährte Abriegelung des Landes. Bereits im März 2020 wurde Ausländern die Einreise verwehrt, Touristen, Geschäftsleuten, Studierenden, Stipendiaten u.a. Hinzu kommt, dass allen, die ausnahmsweise ins Land gelassen wurden und werden, vorwiegend natürlich Japanern, eine äußerst rigide Quarantäne verordnet wird (man erinnere sich an die ins Olympiadorf „eingesperrten“ Olympioniken im Tokyoter Olympia-Sommer 2021 und die zu einem Hotelzimmerleben verdonnerten Berichterstatter).
Im November, als die Zahlen in Japan drastisch heruntergingen, schrieben uns Freunde, dass sie ihre in Europa lebende Tochter besuchen wollten, denn, so die Begründung: Covid is over! Vorbei, verweht, zumindest in Japan! Wir staunten – ungläubig. Kannten sie etwa nicht die tückische Unberechenbarkeit dieses Virus mit seinen vielen Mutanten? In der Gewissheit, dass ein 72 Stunden alter, in einer europäischen Klinik gemachter Negativ-Test verbunden mit einer einwöchigen Quarantäne im eigenen Heim bei der Rückkehr genügen würde, traten sie ihre Reise an.
Drei Wochen später, Omikron hatte sich inzwischen auch im Inselreich verbreitet, lag das Erstaunen bei unseren Freunden. Sie schrieben:
„Nach unserer Ankunft im Airport Osaka wurden wir für eine Woche in ein Flughafenhotel einquartiert. Wir durften das Zimmer nicht verlassen. Es war klein, man konnte gerade mal acht Schritte quer durch vom Fenster zur Tür gehen. Das taten wir immer wieder, um uns fit zu halten, hin und zurück. Dreimal am Tag bekamen wir das „In-Flight-Meal“ vor die Tür gestellt. Als wir schließlich nach Hause entlassen wurden, mussten wir ein spezielles Taxi nehmen. Dort angekommen, verordenete das Government uns eine weitere Woche Quarantäne. In den ganzen 2 Wochen wurde jeden Tag per Smartphone und zwar mit Video (je 30 Sekunden) überprüft, ob wir uns auch ordnungsgemäß am richtigen Platz aufhielten, d.h. im Hotelzimmer und später zu Hause. Weil nur Aiko ein Smartphone hat, musste ich für die Zeit der Quarantäne eines mieten. Believe me, all this was just hell! Wir sagten oft, es ist ein bisschen besser als im Gefängnis. Aber ich denke auch, dass diese Quaratäne mit täglicher Überwachung hilft, die Covidfälle in Japan niedrig zu halten, ebenso wie die Verbote zur Einreise für Ausländer! – (Wir wären natürlich jederzeit herzlichst willkommen!)
Da ist sie, die Rückbesinnung auf Altbewährtes, Tokugawa Retro. Die Mehrheit der Japaner findet die „Splended Isolation“ gut, da schutzversprechend, eine Minderheit fängt langsam an sie zu kritisieren.
Allerdings: Mit einer Öffnung des Landes ist Im Augenblick noch nicht zu rechnen. Denn überraschend – besonders für all jene, die schon an ein Ende der Pandemie geglaubt hatten – steigen die im Herbst gefallenen Krankenzahlen wieder rapide an. Vermutlich durch Omikron. Wieder hörten wir vor einigen Tagen von ratlosen Freunden: Wie ist das bloß möglich? Im Dezember hatten wir in Tokyo pro Tag durchschnittlich 20 Fälle, jetzt sind es 21000!!! Wir sind bedrückt!
Ja, liebe Freunde: DAS SIND WIR AUCH! Seit 2 Jahren sitzen wir hier im heimatlichen Köln – und zwar in weitaus schlimmeren Corona-Verhältnissen – auf imaginär gepackten Koffern für eine Reise zu euch, nach Japan, nach Kyoto. Ende Januar 2018 hatten wir unsere „zweite Heimat“ nach fünf Monaten Aufenthalt verlassen. Geplant war eine Rückkehr für die Frühjahrmonate 2020 – gestrichen! Herbst 2020 angepeilt – gestrichen! Hoffnungsvoll verschoben auf März 2021 – gestrichen! Frühling 2022, Herbst … Wie wird es, fragen wir uns, mit den Streichungen weitergehen? Oder sollte der Inselstaat sich doch innerhalb dieses Jahres für eine Öffnung, vermutlich erst einmal für Geschäftsreisende und Stipendiaten, entscheiden???
WIR VERMISSEN JAPAN, WIR VERMISSEN KYOTO,
vermissen „unser“ nostalgisch altjapanisches Haus Hakuginso mit all unseren Hinterlassenschaften, Bilder an den Wänden und Schmuckgegenständen auf Regalen, Kücheninventar und Bettzeug für alle Jahreszeiten: mit einem Glas Tee und einem Buch in unserem kleinen Wintergarten verweilen zu können, die Blicke dann und wann durch den inzwischen vermutlich dschungelhaft verwilderten kleinen Zengarten mit seiner vom Zahn der Zeit angenagten „Grünspanmauer“ schweifen zu lassen, der Mauer, die ich einmal zum japanischen Kunstwerk erklärt habe: SHIBUI! – was für eine Vorstellung …
wir vermissen unser tägliches Leben zwischen Unternehmungen und – zeitweise – schreibender Heimarbeit: das Winterfrühstück mit leicht überbackenem Müsli, zusammen mit zwei Heizstrahlern vertreibt es die morgendliche Kälte, oder – zurückgekehrt von Ausflügen – das abendliche Schwelgen in Sake-Sushi-Tempura, „Kartoffelsalatpüree“-Dallmayrwürstchen-Odengemüse, erstanden im Supermarkt um die Ecke oder in einem 24- Stunden-Laden (nicht zu vergessen das mit Kümmel gewürzte „deutsche“ Graubrot von unserem Bäcker, Vermächtnis eines jungen deutschen Bäckergesellen),
wir vermissen die Treffen mit unseren Freunden von nah und fern, (vor allem die eng mit uns verbundenen Mika, Shinji, Hiroko, Chikao, Hisako, Yoichi) bei uns zu Hause oder zu gemeinsamen Spaziergängen durch Tempel, Schreine, Gärten: 
gerne zum nahegelegenen Shinnyodo-Tempel mit seiner seit „Urzeiten“ geliebten dreistöckigen Pagode, im Herbst von leuchtendem Ahorn umrankt, das Glockenhaus und seine von der Decke herabhängenden Bronzeglocke, deren anzuschlagendes „Auge“ oftmals wie blankgeschliffen glänzt; wir vermissen, allein oder in Begleitung das Umherstromern im Geisha-Viertel Gion und über den Kamofluss hinüber zur Geisha-Gasse Pontocho, unterbrochen von Gaumenfreuden: dem Lunch im „Sodoh“ am Fuße der Higashiyama-Berge, einstige Villa eines berühmten Malers der zwanziger Jahre, die Gasträume japanisch-westlich, geräumig und gemütlich zugleich, oder alternativ, das Menü im Restaurant des Heian-Hotels mit seinem japanischen Landschaftsgarten, nicht nur das Essen, allein schon der Ausblick ist ein Genuss: über den Teich mit den buntfleckigen Kois, die über ihn führende Natursteinbrücke, auf der sich hin und wieder ein Rabe in samtenem Federkleid niederlässt, den Gästen zuplinkert, davonfliegt, dazu Laternen, Felseninseln, ein Teehaus, unser Café „Second House“ mit seiner einladenden, an deutsche Sahnetorten erinnernden Kuchentheke, die Stückchen allerdings fein und klein, meditatives „Da-Sein“, wenn wir allein sind, oder angeregtes Diskutieren, Austauschen, Plauschen bei Treffen mit eingesessenen Freunden und Bekannten,
wir vermissen, abgekürzt jetzt:
Die Jahreszeiten: spektakulär der Frühling und seine Kirschblütenpracht, der Herbst mit explodierend bunter Laubfärbung; die Feste im Jahresverlauf: Neujahr-O-Shogatsu von 108 Glockenschlägen eingeläutet um Mitternacht, Setsubun-Winteraustreibung Anfang Februar, Gion-Event in Kyoto mit der Prozession von – zuletzt – 33 festlich geschmückten Umzugswagen Mitte Juli, O-Bon-Lichterfest für die verstorbenen Ahnen 14.-16. August, herbstliche Viertelfeste mit Göttersänften, gerüttelt und geschüttelt; den Besuch des altjapanischen Theaters: Sakraltheater Noh, Puppentheater Bunraku mit fast lebensgroßen Puppen, aufregend schillernd-buntes Kabuki; schließlich, nicht zu vergessen: Reisen, wieder und wieder in alle Himmelsrichtungen der vier Hauptinseln, Hokkaido, Honshu, Shikoku, Kyushu, mit den Super-Schnellzügen Hikari und Nozomi, oder auch „Bummelzügen“, mit Bussen oder dem gemieteten Auto, wie Perlen auf einer Kette könnte ich die Ziele auflisten,

Sakurajima-Vulkan mit Wolken-Rauch-Mix vom Schiff aus